Bericht zum Vortrag von Prof. Dr. Samuel Salzborn
„Die alte ‚Neue Rechte‘ – Ideologie und Strategien der Intellektuellen Rechtsextremen“
Der Runde Tisch gegen Rassismus e.V. hat am 03.05.2016 einen Vortragsabend zu dem Thema „Die alte ‚Neue Rechte‘ – Ideologie und Strategien der Intellektuellen Rechtsextremen“ im Ludwig-Thoma Haus in Dachau veranstaltet. Referent war Prof. Dr. Samuel Salzborn, der Politikwissenschaft an der Georg-August-Universität in Göttingen lehrt und zu dessen Forschungsschwerpunkten Rechtsextremismus und Antisemitismus zählen.
Salzborn begann seinen Vortrag mit einer Begriffsklärung, bei der er darauf aufmerksam machte, dass der Ausdruck „Neue Rechte“ oft diffus verwendet wird und mindestens drei Begriffsverständnisse (chronologisch intendierte Beschreibung, Selbstbezeichnung, analytischer Begriff) existieren, die zum Teil überlappend verwendet werden. Im Anschluss daran widmete sich der Referent der Entstehungsgeschichte der „Neuen Rechten“, dessen Anfänge bereits Ende der 1960er Jahre zu datieren sind. Damals verpasste die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) nach einer Serie von Landtagswahlerfolgen knapp den Bundestagseinzug 1969, woraufhin es in der Partei zu einem offenen Richtungsstreit und zu einer Spaltung in einen militanten und in einen „intellektuellen“ Flügel kam, aus dem sich die „Neue Rechte“ entwickelte. Dessen Ziel war es „kulturelle Hegemonie“ nach dem Konzept des marxistischen Intellektuellen Antonio Gramsci zu erlangen, statt den parlamentarischen Weg zu gehen. In den 1970er Jahren bildeten sich neben der nur kurz existierenden Organisation „Aktion Neue Rechte“ mehrere Zeitschriften des neurechten Spektrums, zu denen z.B. die Zeitschriften Criticón und wir selbst zählten. Nach der Entstehungsgeschichte zeigte der Referent die Organisation, weitere Entwicklungsgeschichte und die Strategie der „Neuen Rechten“ auf. Dabei machte er deutlich, dass diese Strömung im Rechtsextremismus anfangs nicht parlamentarisch aufgestellt war, sondern sich in eher losen Zirkeln und Gruppen organisierte. Sie verstand sich als Gegenpol zur Neuen Linken und verfolgte eine intellektuelle Metapolitik und konservative „Kulturrevolution“, wobei sie zur Verfolgung ihrer wahren Ziele auch politische “Mimikry“ betrieb. Ihren Höhepunkt erlebte die „Neue Rechte“, deren zentrales Publikationsorgan die 1986 gegründete Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ist, in den 1990er Jahren (bis ca. 1998) vor dem Hintergrund der „geistig-moralischen Wende“, die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zu Beginn der 1980er Jahre ausgerufen wurde. Zwischen Ende der 1990er Jahre bis ca. Mitte der 2000er Jahre erlebte die “Neue Rechte“ jedoch einen Niedergang, bei dem fast alle Zeitschriften aus diesem Spektrum verschwanden.
Ab Mitte der 2000er Jahre kam es allerdings zu einer Renaissance dieser politischen Strömung im Rechtsextremismus, die mit der Gründung neuer Publikationsorgane (Sezession, Blaue Narzisse) und „Denkfabriken“ (Institut für Staatspolitik) einherging. Anschließend ging der Referent näher auf die Ideologie der „Neuen Rechten“ ein, deren zentraler Vordenker der Franzose Alain de Benoist und im deutschen Raum Hennig Eichberg ist. Salzborn veranschaulichte, dass es zu den Kernziele der neurechten Weltanschauung gehört bestimmte Denkformen in den öffentlichen Diskurs einzubringen und dort Begriffen wie z.B. „Identität“ und „Heimat“ zu verankern. Kennzeichnend für die neurechte Ideologie ist das Konzept des Ethnopluralismus, dass zwar nicht biologistisch begründet wird, aber dennoch rassistisch ist, da Migration abgelehnt und eine Sortierung in kleine ethnisch homogene Gemeinschaften in Europa gefordert wird. Daraufhin erläuterte der Referent die historischen Bezüge der „Neuen Rechten“, deren Vertreter sich formal vom Nationalsozialismus abgrenzen und stattdessen auf die „Konservative Revolution“ in der Weimarer Republik beziehen, zu deren zentralen Vordenkern z.B. Oswald Spengler oder Carl Schmitt zählen. Im Anschluss daran beleuchtete Salzborn die „Neue Rechte“ im Zusammenhang mit der AfD und Pegida.
Dabei machte er deutlich, dass die „Neue Rechte“ zunächst nicht Teil dieser Bewegung war, sondern erst später als Möglichkeit entdeckt wurde um damit „kulturelle Hegemonie“ zu erlangen. Das geschah zuerst bei Pegida und nach der Spaltung und der damit einhergehenden Radikalisierung im Juli 2015 auch bei der AfD. Gleichwohl ist die Unterstützung dieser Bewegung innerhalb der „Neuen Rechten“ nicht unumstritten, da es laut Salzborn neben den Befürwortern auch eine Fraktion gibt, die einer Zusammenarbeit ablehnend gegenübersteht. Diese lehnt nicht nur den Parlamentarismus überhaupt ab, sondern ist auch der Auffassung, dass weder Pegida noch die AfD als intellektuelle Bewegungen gelten, weshalb mit beiden auch nicht der Anspruch auf eine intellektuelle Durchdringung erfüllt werde. Nach dem sehr instruktiven Vortrag folgte eine 30 minütige Diskussionen, bei der sich die Zuhörerinnen und Zuhörer rege beteiligten.