Gelebte Demokratie an der Mittelschule Karlsfeld
4. Demokratiekonferenz der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Dachau
Zwei Tage mit Workshops voller Engagement und Kreativität
Am 20. und 21. März 2018 fand mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ die 4. Demokratiekonferenz der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Dachau statt, die dieses Mal in der Mittelschule Karlsfeld veranstaltet wurde. Dort fanden zwei Tage mit Workshops zu den Themenfeldern „fair – demokratisch – kreativ“ statt.
Zum Auftakt der Veranstaltung trafen sich alle Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 11 um acht Uhr in der Turnhalle, wo sie von ihrem Rektor Hakan Özcan, Schülersprecherin Natalia und Landrat Stefan Löwl auf die kommenden Tage aktiver Mitwirkung eingestimmt wurden. Mit Verweis auf die Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der am Eröffnungstag anlässlich des 225jährigen Jubiläums der Ausrufung der Mainzer Republik eine Rede über die Bedeutung der Demokratie gehalten hatte, bedankte sich Löwl bereits im Vorfeld für das Mitwirken an den Projekttagen. Die Demokratie sei eine faszinierende Staatsform, die das Risiko der Selbstzerstörung in sich trage, erklärte er. Entscheidend sei das Engagement vieler, die Übernahme von Verantwortung „auf Zeit“ durch Politiker und das Einhalten der Spielregeln, was konkret bedeute, dass Kompromisse gefunden werden müssen. Im Hinblick darauf äußerte Löwl: „Ich hoffe, ihr werdet alle Kämpfer für unsere Demokratie!“ Auch Bürgermeister Stefan Kolbe betonte, dass die deutsche Politikform es jedem ermögliche, für seine Wünsche und Vorstellungen einzutreten, ohne dafür verfolgt zu werden. Die Projekttage seien eine Chance, die Demokratie kennen zu lernen und motiviert zu werden, mitzuwirken.
Nach der offiziellen Begrüßung begaben sich die Schülerinnen und Schüler zu einem der insgesamt 40 verschiedenen Workshops, die sie im Vorfeld ausgewählt hatten. Bei den im Schulgebäude durchgeführten Veranstaltungen hatten die Jugendlichen beispielsweise die Möglichkeit, zusammen mit Tom Muhr, Geschäftsführer des Bezirksjugendrings Oberbayern, ihren „Traum von demokratischer Schule“ zu erarbeiten und zu diskutieren, ob Schule und Demokratie überhaupt in Einklang zu bringen sei. Weniger diskutiert, dafür aber mit allen Sinnen erlebt, wurde Demokratie bei den verschiedenen Referenten von „cultures interactive e.V.“ aus Berlin, die Workshops zu „Youtube, Breakdance, DJ-ing, Parkour und Streetart“ anboten. Zu klassischen Themen wie „Diskriminierung“ oder „Mutiges Handeln gegen Sexismus“ gingen die ehrenamtlichen Referenten vom Dresdener „Netzwerk Demokratie und Courage“ gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern in Diskussion. Über den Tellerrand hinaus blickte Sara Kikic von der Europäischen Akademie Bayern um Thema „Deomkratie leben in der Europäischen Union“, während Martina Tschirge vom Koordininierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement des Landratsamts Dachau mit den Teilnehmenden zunächst ihre Vorstellung von Demokratie erarbeitete und anschließend ein Demokratiespiel entwickelte.
Ein Besuch im Amtsgericht ermöglichte es den Teilnehmenden, Einblick in die deutsche Rechtsprechung zu erhalten und bei einem Besuch in der Bücherei und beim Bürgermeister wurden Hintergründe zur Demokratie erforscht und erfragt. Aktives Vorgehen gegen Mobbing stand in einem anderen Workshop auf dem Programm und in der Boxschule Dachau konnten die Kids der Unterstufe ihre eigenen und fremde Grenzen aktiv kennen lernen. „Creative Chance“ aus Offenbach ermöglichte es den Jugendlichen Theater mit Herz und Verstand zu spielen und im Akrobatik-Workshop der durften die Teilnehmenden erfahren, welche Bedeutung Vertrauen in sich selbst und andere haben kann. Mithilfe von Knetfiguren entwickelten andere Teilnehmer einen kleinen Youtube-Beitrag zur Demokratie, während sich andere mit Marina Oefner, Jugendsozialarbeiterin an der Karlsfelder Schule, eine „perfekte Schule“ bauten.
Nach den zwei sehr abwechslungsreichen Tagen an denen die Schülerinnen und Schüler teilweise überaus aktiv gearbeitet hatten, trafen sich zum Abschluss alle Teilnehmer mit den Referenten wieder in der Turnhalle. Schulleiter Hakan Özcan versicherte den Karlsfelder Schülerinnen und Schülern: „Ich bin wahnsinnig stolz auf euch alle! Ihr wart sehr kreativ und ihr habt intensiv gearbeitet! Wir werden als Schulgemeinschaft viel mitnehmen!“ Außerdem versicherte er, dass die beiden Tage zur Demokratie nur ein Anfang gewesen seien. „Teilweise habt ihr ja auch Forderungen an die Schule gestellt. Wir werden im Team überlegen, was weiter geschehen muss. Es ist an euch, zu überprüfen, was dahingehend geschieht.“
Die Ergebnisse der einzelnen Workshops wurden in der Turnhalle auf Plakaten präsentiert und sind somit für jeden nachvollziehbar.
Die mit Farbsprays gestalteten Bilder des Streetart-Workshops wurden ebenso ausgestellt wie die Mindmaps der Workshops zu den Themen Rassismus, Sexismus oder zur europäischen Union.
Das von den Schülern entwickelte Spiel zur Demokratie wurde feierlich an Rektor Herrn Hakan Özcan überreicht, der versprach, es an die verschiedenen Klassen weiter zu reichen. Auf großen Tafeln sind verschiedene Quizfragen zur Demokratie vermerkt. Teilweise, wie beispielsweise die Frage: „Seit wann dürfen gleichgeschlechtliche Partner heiraten?“ liefern diese Informationen, teilweise sollen sie einfach zur Diskussion und zum Nachdenken anregen, wie beispielsweise die Frage: „Spürt man Respekt in der deutschen Gesellschaft?“
Was genau die Karlsfelder Schülerinnen und Schüler unter Demokratie verstehen und wie sich das auf die Schule auswirken sollte, wurde auf vielen Plakaten unterschiedlicher Workshops festgehalten. Gleichberechtigung, Toleranz, Respekt, Freiheit, Zusammenhalt, Mitbestimmung wurden da beispielsweise genannt, aber auch ganz konkrete Forderungen wurden laut. So zum Beispiel nach einem faireren Umgang ohne Verweise, weniger Hausaufgaben und mehr Mitbestimmung bei der Gestaltung der Sitzordnung, den Unterrichtszeiten und -Inhalten sowie eine gleichberechtigte Nutzung der Fahrstühle. Interessanterweise sollte eine „Perfekte Schule“, wie sie in Rollenspielen und im Theaterspiel versucht wurde, darzustellen, nach Ansicht mancher Schüler einige Komponenten vorweisen, die bislang im Schulalltag eher nicht berücksichtigt werden: Ein McDonalds, ein Schulcafé oder ein Zockerraum wurden hier beispielsweise genannt. Obwohl diese Wünsche vielleicht zunächst ein Schmunzeln hervorrufen, wurde dennoch deutlich: Die Schüler wünschen sich vielfach, dass der schulische Raum in engeren Zusammenhang mit der Freizeit gebracht wird.
Beim Theater-Workshop wurde zunächst überlegt, was Menschen zusammenbringt. Achtsamkeit, Liebe, Vertrauen, Humor, Verständnis und respektvoller Umgang standen hier bei den Jugendlichen hoch im Kurs. Anschließend wurde ein improvisiertes Theaterstück über ein Mädchen mit Kopftuch in der Klasse durchgespielt. Hier hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, auf lustige und motivierende Art aktiv konstruktive Konfliktbearbeitung zu betreiben.
Beim Workshop zum Thema Mobbing ging es darum, sich in die verschiedenen Rollen der Beteiligten hineinzuversetzen. Der Perspektivenwechsel vom Opfer zum Mitläufer, Zuschauer und Täter ermöglichte den Teilnehmenden neue Sichtweisen und Erkenntnisse. Dadurch, dass die Jugendlichen selbst Gestalter ihrer Plakate waren und die Referenten nicht restriktiv vorgingen, konnten sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen und ansprechen, was sie wirklich bewegt.
Ähnlich war es beispielsweise auch beim Workshop „StopMotion“. Aus Knete wurden von den Schülern der 5. Bis 7. Klasse Figuren entwickelt, die anschließend in einem Film mitwirken sollten. Das Drehbuch und die Geschichte entwickelten die Schülerinnen und Schülern selbst, jede einzelne Szene wurde anschließend aufgenommen und abgespeichert. So entstand ein kurzer Film über eine giftige Schulschlange, die zunächst des Schulhauses verwiesen wurde. Nach intensiver Beratung wurde schließlich aber eine Lösung gefunden, und die Schlange durfte wieder ins Schulhaus ziehen – in einen eigenen umzäunten Bereich. Der Film kann über Youtube abgerufen werden.
Obwohl manche der Schülerinnen und Schüler anfangs nicht genau gewusst hatten, was auf sie zukommen würde und ihre Workshop-Wahl eher zufällig getroffen hatten, waren die meisten mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Matej und Daniel aus der 8. Klasse hatten beispielsweise am Dienstag den Workshop zur Europäischen Union besucht und fanden, es sei sehr interessant gewesen und sie hätten viel gelernt. Am Mittwoch konnten sie sich dann beim sportlichen Überwinden unterschiedlicher Hindernisse beim Parcours körperlich auspowern. Sargon war sehr angetan vom DJ-ing-Workshop: „Wir haben eigene Beats und Texte gemacht. Mit dem Computer. Es war interessant und es hat Spaß gemacht. Vor allem das Rap-Duell“, berichtete er. Miray und Ani aus der 6. Klasse hatten beim Workshop „1,2, Viele? – Wie klappt Zusammenleben?“ der Katholischen Jugendstelle in Feldmoching teilgenommen und gaben an einiges Neues erfahren zu haben.