Bericht zum Vortrag von Dr. Robert Philippsberg
„Rechte Gewalt in Deutschland“
Der Runde Tisch gegen Rassismus e.V. hat am 13.07.2016 einen Vortragsabend zu dem Thema „Rechte Gewalt in Deutschland“ im Adolf-Hölzl-Haus veranstaltet. Referent war Dr. Robert Philippsberg, pädagogischer Mitarbeiter im Kreisjugend Dachau, der zum Demokratieschutz in Deutschland promoviert hat und sich dabei ausführlich mit Geschichte und Gegenwart des Rechtsterrorismus in Deutschland befasst hat. Er ist zugleich freier Mitarbeiter in der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus (firm) in München sowie Asscoiate Researcher am Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) und Autor mehrerer Publikationen zum Thema „Rechtsextremismus“.
Philippsberg begann seinen Vortrag mit einer Erläuterung über den Terrorismusbegriff, für den es in der Wissenschaft und in staatlichen Behörden unterschiedliche Definitionen gibt und zeigte auf, welche spezifischen Merkmale den Rechtsterrorismus kennzeichnen. Dabei wies er darauf hin, dass es für die Sicherheitsbehörden entscheidend sei, ob eine Vereinigung über eine feste Gruppenstruktur und eine Planungsintensität bei ihren Anschlägen verfügt, um als terroristische Organisation eingestuft zu werden. Aufgrund dieser Vorbedingung gilt z.B. der rassistische Brandanschlag in Solingen aus dem Jahr 1993, bei dem fünf Menschen starben und acht zum Teil schwer verletzt wurden, nicht als terroristische Tat. Anschließend erläuterte der Referent die verschiedenen rechtsextremen Straftatbestände und ging auf die staatliche Ermittlungsarbeit ein. Diese ist auch nach dem Bekanntwerden der schweren Ermittlungsdefizite zur rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) verbesserungsbedürftig, da Ermittlungs- oder Justizbehörden eine offensichtlich rassistisch motivierte Tat noch immer zu häufig nicht als solche klassifizieren, wie Untersuchungen der Amadeo Antonio Stiftung aus den Jahren 2012 und 2013 nahe legen.
Im Anschluss daran ging Philippsberg auf die aktuelle Situation rechter Gewalt in Deutschland ein und informierte über die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, die sich von 2014 auf 2015 verfünffacht haben. Die Aufklärungsquote dieser Verbrechen bewegt sich auf niedrigen Niveau. Er machte in diesem Zusammenhang auch auf den deutlichen Anstieg an rechtsextrem motivierten Anschlägen gegen PolitikerInnen und JournalistInnen in den letzten Jahren aufmerksam. Nach dem Blick auf die gegenwärtige Situation ging der Referent auf die historische Entwicklung rechter Gewalt ein indem er dessen verschiedene Facetten aufzeigte. Dabei wurde deutlich, dass sich rechtsterroristische Gewalt in Deutschland keineswegs auf den NSU beschränkt, sondern über einen langen geschichtlichen Vorlauf verfügt. Dazu zählt z.B. das Oktoberfestattentat vom 26. September 1980, das mit 13 Toten und 211 zum Teil schwer verletzten Personen der bislang verheerendste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Außerdem gab es nach Recherchen der Amadeo-Antonio Stiftung seit 1990 178 Personen, die durch rechte Gewalt ihr Leben verloren haben, wovon die Bundesregierung aufgrund anderer Erfassungskriterien bisher nur 75 Todesopfer anerkennt. Im Anschluss an den geschichtlichen Rückblick ging der Referent auf die besonderen Merkmale des NSU im Rechtsterrorismus ein und erläuterte, welche potenziellen Rekrutierungsfelder zukünftig für die Herausbildung rechtsterroristischer Organisationen oder Einzeltäter bestehen.
Insgesamt veranschaulichten die Ausführungen des Referenten den Zuhörerinnen und Zuhörern, dass rechte Gewalt in Deutschland ein bedeutsames Problem darstellt, das trotz staatlicher und zivilgesellschaftlicher Programme zur Rechtsextremismusprävention bislang nur unzureichend in den Griff bekommen wurde. Im Anschluss an den Vortrag gab es eine Diskussionsrunde an der sich die Zuhörerinnen und Zuhörer ausgiebig beteiligten.