Und dann will ich, was ich tun will, endlich tun an Genuss bekommt man nämlich nie zu viel. Nur man darf nicht träge sein und darf nicht ruhn, denn Genießen war noch nie ein leichtes Spiel. (Konstantin Wecker)
… und darum möchte ich mit euch teilen, was das Glück mir beschert, wenn ich mich mit den Kindern der Klassen 1a und 1b der Verbandsgrundschule und der 2f der Grundschule Krenmoosstraße in Karlsfeld auf Glückssuche begebe.
Ein Mal monatlich werde ich in diesem Blog geglückte, glückliche Momente festhalten, und ebenso die unglücklichen, welche, die zum Nachdenken anregen, und welche, die einen kleinen Einblick bieten in das, was die Kinder und ich miteinander erleben und erarbeiten.
Kathrin Feldmann, Ganztagspädagogin
Das, was uns Erwachsenen im Laufe unseres Lebens mehr oder weniger verlorengegangen ist, können wir von den Kindern wieder lernen: das Genießen, den Genuss über alles andere stellen, was in diesem Moment dann nicht mehr wichtig ist. Sie zeigen uns, jeden Moment, der Genuss verspricht, auszukosten, und diesen Moment als etwas Unabdingbares zu verteidigen. Eine lange und intensive Entwicklung haben die Kinder in ihren jungen Leben schon absolviert, wenn sie zum ersten Mal stundenlang still auf ihren Stühlen vor ihrem Tisch im Klassenzimmer sitzen sollen. Da prallen Anarchie und System aufeinander, das spontane Ausleben des unmittelbaren Impulses hat hier keinen Raum mehr, Anpassung ist die Regeln der Stunde. Kein Wunder also, dass sich all das über Stunden Festgehaltene in den Pausen Bahn bricht, leider oft auf wenig konstruktive Weise. Hier wird dann nicht nur gebrüllt und gerannt, sondern auch geprügelt, geschubst und beleidigt, was Kinder und Erwachsene gleichermaßen vor Herausforderungen stellt. So kristallisiert sich unser Themenschwerpunkt der nächsten Zeit heraus: Wir arbeiten und üben und überlegen und forschen, wie ein friedlicheres Miteinander funktionieren könnte – und nach und nach stellen sich immer mehr Momente des glücklichen und geglückten Miteinanders während unserer Pausen- und Hofzeiten ein: Welch Glück, dass das spätsommerliche Wetter uns dabei mit sonnigen Nachmittagen beschenkt, so dass wir raus gehen können, und dass es warm genug ist, um in großen Lagern auf den Jacken sitzend zusammen ein Gemeinschaftspicknick mit den Resten aus der Brotzeitbox zu zelebrieren, und dass, hat ein Mitschüler nichts mehr zu essen, ihm gleich freudig mehrere Optionen zum Mitessen angeboten werden. Welch Glück auch, dass ein Kind, das sich einsam fühlt, weil es keine Spielkameraden hat, sofort eingebunden wird, und die Kinder beginnen, sich gegenseitig darauf aufmerksam zu machen, dass es mit Worten statt mit Schlägen auch geht und sich Hilfe von uns holen, wenn sie allein nicht weiterkommen. Die explodierenden Farben des Herbstes tun das Ihre, um all die neuen Erfahrungen noch bunter sein zu lassen.
Demokratie: Jede Demokratiestunde beginnt mit einem Lied, in welchem wir Begrüßungs- und Verabschiedungsworte aus diversen Sprachen singen: Hallo, salut, jambo, hi, salem aleikum, ciao, goodbye, kalispera, merhaba, doswidanja, au revoir. Die Kinder stellen fest, wer „ihre“ Sprache noch spricht, während sie mitteilen, womit sie sich zu Hause begrüßen oder verabschieden. Anschließend wechseln wir den Raum, platzieren uns im Kreis und starten mit der sehr beliebten „Kinderkonferenz“, wo Raum ist für das Befinden der Einzelnen und Ideen zur Verbesserung.
Glückskugeln: Nachdem nun jedes Kind die „Stopp-Übung“ erfolgreich bestanden hat und stolz die erstandene Glückskugel mit dem Goldfaden, Symbol für die eigene Grenze und die der Anderen, bei sich trägt, sprechen wir eingehend über diverse Situationen in den Pausen, in denen das Stopp häufig nicht gehört oder beachtet wird und dann doch immer wieder Fäuste oder Füße Abhilfe schaffen müssen. Hilflosigkeit und Ohnmacht stehen im Raum. Wir erkunden die Ursachen der Streitereien: sehr oft geht es darum, dass ein Kind etwas haben möchte, was ein anderer gerade hat oder mitspielen möchte, aber nicht darf. So kommt das Gespräch auf den Krieg. Ein Kind: „Ein Streit ist wie Krieg. Ich kann einfach sagen: ich gebe Dir was ab, wenn ich genug habe, oder Du kannst in mein Land kommen und dann spielen wir zusammen.“ Erstaunlich viel wissen die Kinder über Krieg, die aktuellen Geschehnisse beschäftigen sie, und sie scheinen erleichtert, dass wir in konstruktiver Weise darüber sprechen, und ich bin erleichtert, dass sie sich hier, wo sie leben, sicher zu fühlen scheinen, denn Angst ist während unseres Gespräches nicht spürbar. Einige kennen Geschichten von Verwandten und Freunden, die Krieg erlebten, doch wie ein friedliches Miteinander funktionieren kann, beschäftigt sie weit mehr. Ihr Engagement, als es darum geht, Ideen vorzutragen, wie Frieden erreicht oder wiederhergestellt werden kann, ist beeindruckend. Unsere Unterrichtszeit ist vorbei und die Beiträge nehmen kein Ende…
Was tun gegen Krieg?
Sich Vertragen und Entschuldigen * nicht alles haben wollen * zusammenarbeiten * Grenzen setzen und Stopp akzeptieren * schenken * einfach nicht mitmachen, wenn ein anderer provoziert * Schutz geben * Andere um Hilfe bitten, wenn man in Not ist * schöne Dinge zusammen machen und unternehmen, zum Beispiel Musik oder tanzen * bei drohender Gefahr warnen * miteinander sprechen und herausfinden, was der Andere möchte
In der Klasse 1b spiele ich den Song „Imagine“ von John Lennon vor und erkläre den Text.
Einige Kinder sind tief berührt, einer der eher „starken“ Jungs senkt den Kopf und sagt leise: „Ich glaube, ich muss weinen.“ Wir hören das Lied auf Wunsch der Kinder gleich einige Male, während sie ein Bilder malen, wie aus Krieg Frieden wird.
Wir sind uns einig: Krieg muss ein Ende nehmen – und dichten unseren eigenen Text zur Melodie von „Imagine“, den wir zur Karaoke Version des Originals immer wieder singen:
Stell dir vor, es ist Frieden,
überall auf der Welt,
und Engel schicken Liebe, die uns zusammenhält,
nach Streit kommt die Versöhnung und Mitgefühl regiert die Welt.
Stell dir vor, es ist Friede,
auf unserer schönen Welt,
und keiner leidet Hunger unter dem Sternenzelt,
wir Kinder wollen Liebe
auf der ganzen Welt.
Wir teilen mit den Armen und schützen die Natur,
und schenken unsere Liebe, denn wir wollen Frieden.
Und bist du einmal traurig, so schaue nur in mein Herz,
da gibt es viele Farben, von denen kannst du welche haben.
Stell dir vor, es ist Frieden,
überall auf der Welt.
Link zur Karaoke Version auf Youtube
Essen für alle * Mitgefühl * Umarmen * Liebe geben * die Umwelt sauber halten * sich entschuldigen * Frieden wollen für eine schöne Welt * sich nach Streit wieder vertragen * Lebensmittel wertschätzen * die Natur schützen * zu Engeln beten * Bäume schützen * Wasser sparen * an Arme spenden * teilen, zum Beispiel Essen, Kleidung, Spielsachen Geld * gar nicht erst Streit oder Krieg beginnen * sich an Schönheit und lustigen Sachen freuen * zusammen Spaß haben
Das Klassenschiff: Ein anderes Mal sprechen wir über die Wichtigkeit, dass Jede(r) seine eigenen Stärken und Schwächen kennt, denn das ist unumgänglich, sogar gelegentlich überlebenswichtig, zum Beispiel wenn wir unser Klassenschiff samt Besatzung heil durch den Sturm bringen wollen. Köche, Ärzte, Maschinisten, einen Kapitän, Matrosen muss es also geben – und alle sind wichtig. Man muss sich aufeinander verlassen können, im Sturm, und eigene Wünsche und Vorstellungen manchmal zurückstellen zum Wohle des Ganzen. Ich finde, die Klassen sind fantastische Crews und wir wissen: Stürme werden wir miteinander meistern!
Nach so viel Arbeit braucht es dringend einen Tanz, oder drei, oder vier: „Ich bin wichtig!!“ (Link zum Lied auf Youtube)
Mittagessen: Heute beim Mittagessen bat ich um 3 Minuten Ruhe. Kind: „Dürfen wir flüstern?“ „Ja, flüstern geht auch.“ Anderes Kind: „Können wir bitte 5 Minuten machen?“ Und tatsächlich: 5 Minuten und noch etwas länger: Ruhe, die alle genossen haben. Somit ist die „Flüsterzeit“ geboren, die nun fester Bestandteil des gemeinsamen Mittagessens ist. Erfreulich ist auch: Beinahe alle 45 Kinder bedanken sich, wenn wir ihnen das Essen austeilen oder Wasser nachschenken, bitte sagen und Höflichkeit stehen auch inzwischen hoch im Kurs, die Putzdienste sind weiterhin der Renner und werden zuverlässig und vorbildlich erfüllt.
Glück: *Wie schmeckt Glück? Nach Ananas, Schokolade, Apfel, Wassermelone, Zucker, Kirschen, Honig, wie ein Kuss, wie die Reissuppe von Mama, wie ein Donut *Wie riecht Glück? *Wie Blumen, wie leckeres Essen, wie ein kleines Baby, wie Parfum, wie frisches Obst *Wie hört Glück sich an? *Wie, wenn jemand sagt, dass er mich mag, oder wenn Jemand was Schönes sagt, wie Komplimente, Lob, Lieblingsmusik, Vogelgezwitscher, Meeresrauschen, Musik, Wind, lachende Kinder, Regentropfen, Blätterrascheln *Wie sieht Glück aus? Schön, strahlend, wie Glitzer, wie Schnee, wie Lego, durch eine orangene Sonnenbrille sieht man es, wie die Sonne, wie Blumen, ein leckerer Kuchen, ein lachendes Gesicht, ein Geschenk, das Leben unter Wasser, wie ein Marienkäfer und ein Schmetterling, wie ein Kuscheltier *Wie fühlt Glück sich an? In den Händen wie etwas Weiches, im Herz fühlt es sich wie Liebe an, wie Mama und Papa, ein Kuss lässt Liebe fühlen, wie die Schönheit der ganzen Welt, es fühlt sich glücklich an, wenn Freunde zu Besuch kommen, wie eine Umarmung *Wo im Körper fühlt man Glück? Im Herz, im Mund, in den Augen, im Fuß (wenn ich auf etwas Weichem laufe), im Bauch Was sitzt noch im Bauch? Traurigkeit, Angst, Hunger, Wut, Einsamkeit
„Es gibt nur zwei Energien: Liebe und Angst. Angst ist die Wurzel des Zorns, der Eifersucht und Disharmonie, während Friede und Harmonie aus der Liebe entspringen. Unsere Herzen ziehen sich aus Angst zusammen oder vergrößern sich durch die Liebe. Alles sonst liegt zwischen diesen beiden Gefühlen oder ist eine Mischung aus ihnen.“ (Sai Maa Lakshmi Devi vom Rat der 13 Großmütter)
Gärtnern: Die 1a besitzt nun ein Schulbeet, was ein großes Glück ist, denn im benachbarten Hausmeisterbeet gibt es Minikarotten, die wir im Frühling nun auch anbauen können. In der Erde leben eine Menge Regenwürmer, die die Kinder schreiend entdecken, während sie die Erde umgraben und das Unkraut herausziehen, damit unser Beet für die Blumenzwiebeln vorbereitet ist, die wir nun hineinsetzen können. Mit einer Tulpen- und einer Narzissenzwiebel in jeder Hand wartet jedes Kind geduldig bis es dran ist, diese an einem Platz seiner Wahl in die Erde zu stecken.
In einer der Glücksstunden versammeln wir uns im Kreis. Wir sprechen über Angst, und darüber, was man dagegen tun kann. Viele unausgesprochene Ängste tragen die Kinder mit sich herum: Ängste nach Alpträumen, Angst keine Freunde zu haben, Angst vor Dieben, und Angst, dass man sie stehlen oder überfallen könnte. Auf dem sogenannten „Karottenspielplatz“ gibt es gelegentlich Fremde, die den Kindern Angst einjagen, auch das Thema des Mannes, der Anfang des Schuljahres mit Süßigkeiten Kinder anlockte, spuckt weiter in den Köpfen herum. In Rollenspielen üben wir, was in
den jeweiligen Situationen zu tun ist, doch das Wichtigste – die Kinder wissen: wir sind nicht allein, wir können immer Hilfe holen, unsere Eltern beschützen uns, zu Engeln kann man beten, und auch an die Polizei passt auf. Dennoch kann ich nur dazu ermuntern, mit den Kindern öfters über ihre Ängste zu sprechen.
Glücks- und Schutzbilder in der Pause:
Ist ein Kind traurig, so darf es sich unter die „Glücksdusche“ stellen. Traurig machen mangelnde Zuwendung und Zeit seitens der Eltern, zu wenig Freunde, zu wenig Verständnis. Und die Kinder wünschen sich Besuch ihrer Mitschüler*Innen zu Hause. Vor der Klasse stehend, bekommt das traurige Kind von den anderen zu hören, was sie alles gut an ihm finden. Manchmal kommt Jemand zum Umarmen, in jedem Fall ist Unglück dem Glück bislang noch immer gewichen.
Den absoluten Glücksstundenrenner bilden die Glücksdinge, die die Kinder in der Glücksstunde vorzeigen dürfen, während sie erzählen, weshalb dieser Gegenstand sie glücklich macht. Es wird bewundert, befühlt, getauscht und am Ende der gesamte „Schatz“ liebevoll arrangiert.
Weiterhin spielt auch der Wunsch nach mehr Stille eine Rolle während der Glücksstunden. Zu Meeresrauschen und dem Klang von Delfinen kehrt Ruhe ein. Und als ein Schüler eine Meditationshaltung einnimmt und „OM“ tönt, klinken Einige sich belustigt ein. Wir atmen zusammen tief ein und aus und visualisieren eine goldene Kugel zwischen den Augenbrauen. Die Begeisterung ist groß, wenn die Kugel dort wahrnehmbar ist, wir üben weiter daran. Und – was für ein Glück! – die Schule hat uns ein paar Yogamatten spendiert, die wir heute eingeweiht haben.
DAS KLEINE GLÜCK
Traurig saß das kleine Glück am Straßenrand und schaute den Menschen zu. Achtlos hasteten sie an ihm vorbei. Kaum jemand schien es zu bemerken. Alle waren sie zu beschäftigt, auf der Jagd nach Anerkennung, Geld und Wohlstand. Und wenn einer nach dem Glück suchte, dann hielt er in der Regel Ausschau nach dem Großen, auch wenn das schwer zu finden war. Oft versuchte das kleine Glück, auf sich aufmerksam zu machen. Es ließ kleine Blumen durch die dicke Asphaltdecke wachsen und hoffte, dass ihr Leuchten jemanden erfreuen würde. Doch meistens trat ein Fuß achtlos darauf. Manchmal übte es mit den Vögeln ein besonders schönes Lied ein. Doch ihr Gesang ging im wütenden Hupen der Autos unter. Am ehesten fanden Kinder das kleine Glück. Sie entdeckten es in einer Handvoll sommersüßer Kirschen oder fanden es bei einer eiskalten, wilden Schneeballschlacht. Doch irgendwann, wenn sie ihren Kinderschuhen entwuchsen, verloren auch sie fast immer die Gabe das kleine Glück im Alltag zu entdecken. Eines Tages legte sich ein Schatten über die Welt und schien alles zu verdunkeln. Die Menschen wurden ängstlich und sorgenschwer. Sie ahnten, dass ihnen schwierige Zeiten bevorstanden. Auch das kleine Glück wurde ängstlich. Es sagte sich: Jetzt, in diesen dunklen Zeiten wird mich gar niemand mehr finden. Und eine kleine Träne tropfte auf die Erde. Dort, wo sie hinfiel, wuchs eine besonders schöne Blume. Sie schimmerte bunt und leuchtete hoffnungsvoll. Da bückte sich ein Mann und betrachtete die kleine Blume eine Weile. Mit Bedacht pflückte er sie und schenkte sie seiner Begleiterin. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf beiden Gesichtern aus. Und das kleine Glück begriff: Gerade in den dunklen Zeiten, wurde es besonders gebraucht! Eifrig begann es damit, kleine Momente der Freude zu verteilen. Und das Wunder geschah! Die Menschen sahen das kleine Glück in einem Sonnenstrahl, der durch die Dunkelheit fiel. Sie fanden es in einem Stück Schokolade, das sie langsam in ihrem Mund zergehen ließen. Sie bemerkten es, in dem Angebot einander zu helfen oder in einem Brief, der von lieber Hand geschrieben wurde. Dem kleinen Glück wurde es ganz warm ums Herz, wenn es das Lächeln auf den Gesichtern der Menschen sah. In solchen Momenten ahnten die Menschen, dass der Schatten irgendwann auch wieder verschwinden, und die Welt wieder heller würde. Nur manchmal, wenn es an die Zukunft dachte, fragte sich das kleine Glück: Ob die Menschen mich auch dann noch sehen werden, wenn die Welt wieder heller ist? Oder werden sie wieder achtlos an mir vorbei durchs Leben hasten? Die Antwort auf diese Frage, gib du sie dem kleinen Glück. (Christine Sinnwell-Backe)
Das Anfangszitat kann hier musikalisch nachgehört werden: https://g.co/kgs/U8vD8H
Und hier noch ein Filmtipp, etwas seicht und doch interessant, zum Thema Glück: https://youtu.be/OuS4i6gSU28?si=CMgN9uqJ3CSTpPtg
Und da dieser Glücksblog nun etwas verspätet erst kurz vor Weihnachten erscheint:
Fröhliche Weihnachten aus unserer Weihnachtswelt: