… und darum möchte ich mit euch teilen, was das Glück mir beschert, wenn ich mich mit den Kindern der Klassen 1a und 1b der Verbandsgrundschule in Karlsfeld auf Glückssuche begebe.
Ein Mal monatlich werde ich in diesem Blog geglückte, glückliche Momente festhalten, und ebenso die unglücklichen, welche, die zum Nachdenken anregen, und welche, die einen kleinen Einblick bieten in das, was die Kinder und ich miteinander erleben und erarbeiten.
Kathrin Feldmann, Ganztagspädagogin
Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten.
Pearl S. Buck, Schriftstellerin
Wir leben in stürmischen Zeiten. Resilienz kann uns dabei helfen, diese wohlbehalten zu überstehen. Ein wichtiger Teil von Resilienz besteht darin, uns immer tiefer in unserer Einzigartigkeit anzunehmen. Dazu gehören Selbstfürsorge, Optimismus und Hoffnung, das Wissen, was ich jetzt in diesem Moment gerade brauche und die Unterstützung der Gemeinschaft, in der ich lebe.
Wir sollten lernen, unser eigenes kleines Glück zu finden.
Das ist im Schulalltag, inmitten einer Klasse aus 23 unterschiedlichsten Charakteren, die verschiedene Bedürfnisse gleichzeitig ausleben möchten, und Leistungsdruck, der auch in diesem ersten Schuljahr Einigen schon zu schaffen macht, nicht leicht zu realisieren. Und so gibt es im Moment nach gemeinsamem Start in die Glücks- bzw. Demokratiestunden für die Kinder die Möglichkeit zu wählen, ob sie lieber spielen, oder einem Angebot folgen möchten.
Neben den Begrüßungssongs stehen zum Wochenstart nun die Wahl von 4 neuen Kindern je Klasse zur „Kinderpolizei“, das gemeinsam gewählte „Motto der Woche“ und die Auswertung der „Mottopunkte“.
Kinderpolizei:
Jede Woche werden 4 Kinderpolizisten je Klasse gewählt. Die Kinderpolizei ermöglicht den Kindern, mehr und mehr in Eigenverantwortung Konflikte zu lösen und Verantwortung für das Zusammenleben innerhalb der Klassengemeinschaft zu übernehmen. Wer Kinderpolizist ist, erhält eine rote und eine gelbe Karte. Die gelbe Karte dient als Hinweis zur Ermahnung, bei einer möglicherweise darauffolgenden roten Karte bekommt ein Kind eine kurze Auszeit, in der es an Ort und Stelle 5 Minuten sitzen bleiben muss.
In Rollenspielen haben wir verschiedene Situationen durchgespielt, in denen die Kinderpolizisten eingreifen können: das Anstellen und Gehen in einer Reihe, wenn wir von A nach B gehen, ohne dass es zu Drängeleien oder sonstigen Kämpfen kommt, das Schlichten von Streit inklusive Lösungsvorschläge, Handgreiflichkeiten…
Die Kinderpolizisten sind erste Ansprechpartner, wenn es zu Streitereien kommt, vermitteln gegebenenfalls zwischen den Fronten, und dürfen mit dem Zücken der gelben Karte daran erinnern, dass Regelungen eingehalten werden sollen.
Natürlich sind alle Kinderpolizisten dazu angehalten sich an uns zu wenden, wenn sie sich überfordert fühlen.
Das Streitschlichten zählt zu den beliebtesten Aufgaben: Die beteiligten Kinder versammeln sich mit einem Kinderpolizisten in einem gesonderten Zimmer, um selbstständig wieder Frieden zu schaffen. Das Interesse der Kinder ist groß, die eigentlichen Wurzeln der Auseinandersetzung zu finden und von dort her das Geschehen zu entrollen und zu verstehen. Manchmal geht die Ursachenforschung dabei Tage in die Vergangenheit zurück.
Am Ende der Woche berichtet jeder Kinderpolizist, wie es ihm ergangen ist.
Im nächsten Schuljahr möchte ich den „Klassenrat“ ins Leben rufen. Die „Kinderpolizei“ dient als Vorbereitung dazu.
Motto der Woche:
Zu Beginn jeder Woche sammeln wir mögliche Themen und stimmen nach dem Mehrheitsprinzip ab, welches zum Motto der Woche gewählt wird.
An der Tafel klebt jetzt ein Zettel, auf dem für alle gut sichtbar geschrieben steht: Motto der Woche: Freundlichkeit, Verantwortung für die Blumen, Liebes tun, Höflichkeit, sich vertragen etc..
Auf einem Schränkchen gibt es blaue Papierstreifen, die zu kleinen Teilen gerissen werden können, den „Mottopunkten“. Die verdient sich, wer sich ausgezeichnet hat, zum Beispiel besonders höflich oder lieb war, sich wieder vertragen hat – je nach Motto.“ Mottopunkte“ kann man nur geschenkt bekommen. Wer am Ende der Woche die meisten „Mottopunkte“ hat, erhält eine kleine Belohnung.
Freie Wahl:
Nach unseren Anfangsritualen können die Kinder ab jetzt wählen: gehe ich in den Ruheraum oder den Raum zwischen den Klassenzimmern, oder bleibe ich im Klassenzimmer?
Im Klassenzimmer wird mit Frau Stajkovic gemalt oder gespielt.
Im Ruheraum gibt es weiterhin die beliebte Sternenzeit und die Delfinmeditation, wie schon im ersten Blog beschrieben. Hinzu gekommen ist der Massagesalon: die Kinder bauen sich ihre eigene Massagestation aus Matten, gehen zu zweit zusammen und massieren sich im Wechsel. Es gibt den Massagesalon der Tiere, wo Igel, Schlangen, Elefanten zum Einsatz kommen oder die Backstube, wo Teig geknetet und Kuchen geformt werden. Vielleicht haben manche Eltern Glück, und werden von ihren Kindern zur Massage eingeladen…?
Im Nebenraum stehen weiterhin Kinderkonferenzen auf dem Programm. Wenn es Klassenthemen zu besprechen gibt, nehmen alle Kinder teil, doch ansonsten kann man sich freiwillig zur Teilnahme melden. Dann gibt es weiterhin Glücksduschen, Gespräche über Krisen oder Traurigkeiten, aber auch über besonders glückliche Momente und Erlebnisse.
Auch die Musikkiste wird ausgepackt, in der es allerlei Perkussionsinstrumente gibt. Wir sind dann eine Band oder ein Orchester. Dann stellt ein Dirigent sich in die Mitte, um nach bestimmten Zeichen die Musiker zu dirigieren. Die Dirigenten sind sehr stolz, wenn die Musiker tatsächlich auf die Vorgaben wie laut, leise, schnell, langsam reagieren, wenn sie Solisten bestimmen dürfen oder nur bestimmte Instrumentengruppen spielen sollen.
Theater:
Eines Tages bat eine Handvoll Kinder darum, im Nebenraum ein Theaterstück proben zu dürfen und dann vor der restlichen Klasse aufzuführen. Zuvor hatten die Kinder mit Ramona, die uns mittags im Kinderrestaurant hilft, Papierschiffchen gebastelt, die nun neben selbstgemalten Kulissen zum Einsatz kamen.
Die Schiffchen tanzten und wackelten auf einer Bank, hinter der sich die Kinder versteckt hatten. Sie lagen im Streit miteinander, der zuletzt geschlichtet wurde, dazu tönten Becken, Schellen und Trommeln von den Musikern. Zauberhaft und mit viel Humor haben die Kinder hier wiedergeben, was sich im Schulalltag zeigt.
Auf diese erste Aufführung folgten weitere: Prinzen und Prinzessinnen, die sich im Tanz begegneten, Königinnen und Könige, die heirateten, Monster, die sich bekämpften.
Kindersprechstunde:
Montag und Mittwoch gibt es zwischen 13 und 14 Uhr nun eine Kindersprechstunde. Die Kinder tragen sich in eine Liste ein und haben 15 Minuten Zeit zu sprechen, worüber sie möchten. Wir sitzen uns auf großen Stühlen am Tisch gegenüber und ich höre zu, berate wenn erwünscht möglichst hilfreich und biete Hilfe an, wo benötigt. Die Kinder sprechen beispielsweise vom Wunsch, mehr Zeit mit Mama oder Papa zu verbringen, über Albträume, die sie nachts quälen, die Trauer über den Verlust von Großeltern, die Vision eine Elfe zu sein und Vieles mehr. Am Ende sind wir beide dankbar für die Möglichkeit des vertrauensvollen Austausches. Und ich merke wieder einmal, wie wichtig diese individuelle Hinwendung ist und wie sehr sie im Schulalltag zu kurz kommt.
Es gibt Tage, da geht alles drunter und drüber: Papierbomben fliegen durchs Klassenzimmer, Kinder spielen Fangen im Klassenzimmer, manche liefern sich Bodenkämpfe, es wird geschrien und gerufen und geweint und gestritten.
Nach mehrmaligem Schlagen der Klangschale beruhigt sich das Szenario ein wenig, so dass ich mit einer Ruhemeditation beginnen kann. Die Kinder legen ihre Köpfe auf ihren Armen auf der Bank ab und gemeinsam atmen wir tief ein und aus. Wir imaginieren eine Reise ans Meer, verweilen im warmen Sand, schauen ins glitzernde Wasser, fliegen durch die Lüfte zu fernen Inseln, begegnen sonderbaren Wesen.
Danach geht es anders weiter, glücklicherweise!
Selbst gebastelte Insektenhotels:
Zuletzt eine „Miniaturglücksgeschichte“ zum Hören:
Kinderradio Feierwerk:
Auf UKW 92,4 , dab+ und im Livestream auf der Radio Feierwerk Website (https://www.feierwerk.de/radio-feierwerk) läuft samstags zwischen 10 und 12 Uhr eine Sendung für Kinder von Kindern zwischen 7 und 13 Jahren. Am 8. Juni wurde ich zum Thema Glücksunterricht interviewt. Das Ergebnis, wie auch andere interessante Beiträge, ist hier zu hören (zwischen Minute 40 und 43)